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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:30.06.2006
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/M21-06
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 63 Abs. 7, ArbGG§ 87 Abs. 3
Vorinstanzen:Kirchengericht der Ev.-Luth. Kirche in Bayern für Streitigkeiten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz, Az.: 26/0-6/4-462, Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 2006, S. 307
Schlagworte:Außerordentliche Kündigung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung
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Leitsatz:

1. Nach § 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 83 Abs. 3 ArbGG sind im Beschlussverfahren der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen zu hören, die aufgrund kollektivgesetzlicher Bestimmungen beteiligt sind.
2. Von Gesetzes wegen ist ein Arbeitnehmer nur zu beteiligen, wenn er in seiner mitbestimmungsrechtlichen Stellung durch den Ausgang des Beschlussverfahrens betroffen ist. Eine lediglich individualrechtliche Betroffenheit genügt nicht.
3. Bei Streitigkeiten über die mitarbeitervertretungsrechtliche Zulässigkeit personeller Einzelmaßnahmen wie Eingruppierung oder Kündigung ist der von der Maßnahme betroffene Arbeitnehmer nicht am Beschlussverfahren über die kollektivrechtliche Zulässigkeit der Maßnahme beteiligt.
4. Mangels Präjudizes für den Kündigungsschutzrechtsstreit ist der betroffene Arbeitnehmer auch im Verfahren nach § 21 MVG.EKD im Gegensatz zum Verfahren nach § 103 BetrVG nicht beteiligt (auch schon VerwG.EKD vom 9. Mai 2000 - 0124/D37-99, ZMV 2000, 131).

Tenor:

1. Der als Beteiligter zu 3 aufgeführte Herr B ist am Verfahren nicht beteiligt.
2. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Kirchengerichts der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern für Streitigkeiten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz vom 12. Dezember 2005, Az.: 26/0-6/4-462 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob für die gemeinsame Mitarbeitervertretung ein Grund vorliegt, ihre Zustimmung zu der von der Dienststellenleitung beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitsvertrages mit B zu verweigern. Die Vorinstanz hat dem entsprechenden Antrag der Dienststellenleitung stattgegeben. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der gemeinsamen Mitarbeitervertretung und des Herrn B.
II. Die Vorinstanz hat Herrn B zu Unrecht am Verfahren beteiligt. Nach § 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m § 83 Abs. 3 ArbGG sind im Beschlussverfahren der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen zu hören, die aufgrund kollektivgesetzlichen Bestimmungen beteiligt sind. Eine gewillkürte Beteiligung ist - bis auf den Fall des Art. 9 des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 56 Abs. 9 NATO-Truppenstatut - ausgeschlossen (Matthes/GMPM-G, § 83 Rn. 18 ff, 22). Von Gesetzes wegen ist ein Arbeitnehmer nur zu beteiligen, wenn er in seiner mitbestimmungsrechtlichen Stellung durch den Ausgang des Beschlussverfahrens betroffen ist. Eine lediglich individualrechtliche Betroffenheit genügt nicht. Dies gilt auch für Mitbestimmungsfragen hinsichtlich personeller Einzelmaßnahmen. An Streitigkeiten über die betriebs- oder personalvertretungsrechtliche Zulässigkeit personeller Einzelmaßnahmen wie Eingruppierung, Kündigung ist der von der Maßnahme betroffene Arbeitnehmer nicht am Beschlussverfahren über die kollektivrechtliche Zulässigkeit der Maßnahme beteiligt (BVerwG 13. Februar 1976 - VII P 4.75 - BVerwGE 50, 186, 193; BAG 27. Mai 1982 - 6 ABR 105/79 - BAGE 39, 102-108). Insbesondere folgt aus der ausdrücklichen Anordnung in § 103 BetrVG, dass der betroffene Arbeitnehmer im Verfahren nach § 102 BetrVG nicht beteiligt ist. Mangels Präjudizialität ist der betroffene Arbeitnehmer im Verfahren nach § 21 MVG.EKD im Gegensatz zum Verfahren nach § 103 BetrVG nicht beteiligt (VerwG.EKD vom 9. Mai 2000 - 0124/D37-99 - in ZMV 2000, S. 131). Auch im mitarbeitervertretungsrechtlichen Beschlussverfahren über die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur ordentlichen Kündigung ist der betroffene Arbeitnehmer nicht beteiligt. Die gegenteilige Ansicht im Schrifttum findet im Gesetz keine Stütze. Das Schrifttum enthält sich insoweit auch jeder näheren Begründung zu der Frage, inwieweit der Arbeitnehmer kollektivrechtlich betroffen sein soll; die Belegstellen zitieren sich nur gegenseitig.
III. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD.
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keiner dieser Annahmegründe liegt vor.
a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses (§ 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 MVG.EKD). Ernstliche Zweifel sind nur anzunehmen, wenn der Erfolg der Beschwerde erheblich wahrscheinlicher ist als ihr Misserfolg (vgl. Fey/Rehren, § 63 MVG.EKD Rn. 7 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Zu Unrecht meint die Beschwerde, die Dienststellenleitung habe die Frist zur Anrufung des Kirchengerichts (§ 38 Abs. 4 MVG.EKD) versäumt. Die Vorinstanz hat das Schreiben der Dienststellenleitung vom 15. April 2005 als neuen Antrag i.S. des § 38 Abs. 2 MVG.EKD angesehen. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Annahme, dass die im ursprünglichen Anhörungsschreiben genannten Gründe "verbraucht" seien, weil die Mitarbeitervertretung der hierauf gestützten Kündigung ihre Zustimmung versagt habe, findet im MVG.EKD keine Stütze. Die Erwägungen der Beschwerde unter 2. der Beschwerdebegründungsschrift sind unbehelflich. Die beabsichtigte ordentliche Kündigung wird nicht schon dadurch zu einer anderen, weil die Dauer des Mitbestimmungsverfahrens ggf. zu einem anderen als dem ursprünglich beabsichtigten Kündigungszeitpunkt führt. Die Ausführungen unter 3. der Beschwerdebegründungsschrift enthalten zwar auch den Vorwurf, dass der Beschluss unrichtig sei; auch diese Ausführungen zeigen aber keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung auf.
b) Für § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 MVG.EKD ist nicht dargetan, inwieweit der von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage i.S.d. Vorschrift ist gegeben, wenn die Entscheidung der mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeit von der Beantwortung dieser Rechtsfrage abhängt, diese klärungsbedürftig und klärungsfähig und die Klärung von allgemeiner Bedeutung für die kirchliche oder diakonische Rechtsordnung ist (vgl. zur grundsätzlichen Bedeutung nach § 63 Abs. 1 Buchst. h MVG.EKD a.F.: KGH.EKD 19. Mai 2005 - II-0124/K40-04). Es fehlt an der allgemeinen Bedeutung einer Klärung der von der Beschwerde selbst formulierten Rechtsfrage.
c) Für den Annahmegrund der Divergenz § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 MVG.EKD liegt nichts vor.
d) Auch der Annahmegrund der Nr. 4 des § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD liegt nicht vor. Die Beschwerde zeigt keinen solchen Verfahrensmangel auf. Das Kirchengericht hat seine Begründung zur sozialen Rechtfertigung der beabsichtigten ordentlichen Kündigung knapp formuliert. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden, zumal das Verfahrensrecht den Richter zu solcher Stringenz stets auffordert (vgl. § 313 Abs. 2 und 3 ZPO).
IV. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 12 Abs. 5 ArbGG).