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Darf eine diakonische Einrichtung nach übergordnetem Recht oder nach der Satzung des Diakonischen Werkes, dem sie angehört, zwischen mehreren kirchengesetzlich entstandenen Arbeitsrechtsregelungen wählen, so gibt es keinen Rechtssatz, der gebietet, alle oder alle Gruppen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach nur einem einzigen Arbeitsrechtsregelungswerk zu behandeln.
Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 23.09.2009 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD I-0124/R12-09 |
Rechtsgrundlage: | Satzung DW.EKiR § 5 Abs. 1 Buchstabe a, ARRG.EKiR § 3, § 23, MVG.EKD § 41 Abs. 1 Buchstabe a, § 42 Buchstabe |
Vorinstanzen: | Gemeinsame Schlichtungsstelle der Ev. Kirche im Rheinland und des Diakonischen Werkes der EKiR, 1 GS 148/2008 |
Schlagworte: | Eingruppierung in verschiedene kirchliche Vergütungsordnungen |
Leitsatz:
Darf eine diakonische Einrichtung nach übergordnetem Recht oder nach der Satzung des Diakonischen Werkes, dem sie angehört, zwischen mehreren kirchengesetzlich entstandenen Arbeitsrechtsregelungen wählen, so gibt es keinen Rechtssatz, der gebietet, alle oder alle Gruppen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach nur einem einzigen Arbeitsrechtsregelungswerk zu behandeln.
Tenor:
Die Beschwerde gegen den Beschluss der Gemeinsamen Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche im Rheinland und des Diakonischen Werkes der EKiR vom 8. Dezember 2008 - 1 GS 148/2008 - wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die antragstellende Dienststellenleitung beabsichtigt, für neu eingestellte Ärzte die AVR.DW.EKD anzuwenden; für das nichtärztliche Personal wendet sie - auch bei Neueinstellungen - die bisher angewendeten kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen der Ev. Kirche im Rheinland weiterhin an. Die Beteiligten streiten in einer Reihe kirchengerichtlicher Verfahren darüber, ob die beschwerdeführende Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung zur Eingruppierung neu eingestellter Ärzte in die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR.DW.EKD) grundsätzlich verweigern darf, weil ihrer Ansicht nach die für das nichtärztliche Personal generell angewendeten kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen auch auf die Ärzte anzuwenden seien.
Vorliegend streiten die Beteiligten konkret darüber, ob die Mitarbeitervertretung deshalb einen Grund hat, ihre Zustimmung zur Eingruppierung der Assistenzärztin Frau D, die seit dem 1. April 2008 zu ihrer Weiterbildung zur Fachärztin für Anästhesie beschäftigt wird, in die Entgeltgruppe 12 der Anlage 1 zu den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EG 12 AVR.DW.EKD) zu verweigern. Die Mitarbeitervertretung erklärte in der Erörterung wegen der Eingruppierung, generell der Anwendung der AVR.DW.EKD nicht zuzustimmen; bei deren Anwendung sei jedoch die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 12 nicht zu beanstanden. Darauf erklärte die Dienststellenleitung die Erörterung mit Schreiben vom 9. Mai 2008 für beendet und rief am 21. Mai 2008 mit ihrer Antragsschrift vom 19. Mai 2008 die Schlichtungsstelle an.
Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, die Mitarbeitervertretung habe nicht das Recht, die Zustimmung mit der Begründung zu verweigern, anstelle der AVR.DW.EKD müsse eine andere kirchliche Arbeitsrechtsregelung angewendet werden. Als Mitglied des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche im Rheinland (DW.EKiR) sei sie nach § 5 Abs. 1 Buchstabe b dessen Satzung gehalten, nur Arbeitsrechtsregelungen anzuwenden, die in einem anerkannten kirchengesetzlichen Verfahren geschaffen worden seien, das auf einem strukturellen Gleichgewicht der Dienstgeberseite und Mitarbeiterseite beruhe. Eine solche Arbeitsrechtsregelung seien die AVR.DW.EKD. Wegen der Einzelheiten ihres erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 19. Mai, 16. Juli, 10. September, 11. November und 14. November 2008 Bezug genommen.
Die Antragstellerin hat (sinngemäß) beantragt,
festzustellen, dass die Mitarbeitervertretung keinen Grund zur Verweigerung ihrer Zustimmung zur Eingruppierung der Frau D in die EG 12 AVR.DW.EKD habe.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hebt hervor, nach § 3 ARRG.EKiR sei die Dienststelle an die Arbeitsrechtsregelungen der Ev. Kirche im Rheinland gebunden. Sie vertieft ihren Rechtsstandpunkt nach näherer Maßgabe ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 25. Juni, 26. September und 24. Oktober 2008, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Die Schlichtungsstelle hat dem Antrag durch ihren Beschluss vom 8. Dezember 2008 stattgegeben. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Mitarbeitervertretung mit ihrer Beschwerde. Der Senat hat die Beschwerde durch seinen Beschluss vom 15. Juli 2009 zur Entscheidung angenommen.
Die Beschwerdeführerin wiederholt und vertieft ihre vorinstanzliche Argumentation und hebt hervor, der angefochtene Beschluss sei rechtswidrig. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf ihre Schriftsätze vom 12. Februar,16. März und 7. September 2009 Bezug genommen.
Sie beantragt,
den angefochtenen Beschluss abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Die Dienststellenleitung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und tritt dem Vorbringen der Beschwerdeführerin entgegen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze vom 31. März, 7. April, 28. August und 17. September 2009 Bezug genommen.
II. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit und die Zulässigkeit sowie das Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 MVG.EKiR (KABl. 2005 S. 142). Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund (§ 41 Abs. 1 Buchstabe a MVG.EKD) vorliegt, ihre Zustimmung zu verweigern. Die Wahl der Dienststellenleitung, auf Arbeitsverhältnisse mit neu eingestellten Ärzten die AVR.DW.EKD anzuwenden, ist aus rechtlichen Gründen nicht zu beanstanden.
1. Das Mitbestimmungsrecht bei der Eingruppierung (§ 42 Buchstabe c MVG.EKD) ist darauf beschränkt, kontrollierend mitzubestimmen, ob die Eingruppierung in einer der anwendbaren kirchlichen Vergütungsordnungen zutrifft oder nicht. Dagegen ist durch § 42 Buchstabe c MVG.EKD für die Mitarbeitervertretung kein Mitbestimmungsrecht des Inhalts eröffnet, dass sie mitzubestimmen hätte, welche von mehreren kirchlichen Vergütungsordnungen anzuwenden seien (VerwG.EKD, Beschluss vom 4. Mai 2000 - 0124/D39-99 - ZMV 2000, 183; Beschluss vom 10. August 2000 - 0124/E5-00 - ZMV 2000, 282; KGH.EKD Beschluss vom 20. Oktober 2008 - II-0124/P21-08 - n.v.; Beschluss vom 8. Juli 2009
– I-0124/P63-08 – z.V.v.).
2. Die Mitarbeitervertretung darf ihre Zustimmung verweigern, wenn - anderes kommt hier nicht in Betracht - die Maßnahme gegen höherrangiges Recht verstößt (§ 41 Abs. 1 Buchstabe a MVG.EKD).
Es liegt kein Rechtsverstoß vor, wenn und weil die beteiligte Dienststelle anstelle der nach dem Arbeitsrechtsregelungsgesetz der Evangelischen Kirche im Rheinland ergangenen Arbeitsrechtsregelungen, die sie nach wie vor auf alle nichtärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anwendet, auf neu eingestellte Ärzte die nach dem Recht der EKD entstandenen AVR.DW.EKD anwendet.
a) Über die Frage, welche der mehreren kirchlichen Vergütungsordnungen angewendet wird, hat die Mitarbeitervertretung nicht nach § 42 Buchstabe c MVG.EKD mitzubestimmen. Dies hat der Kirchengerichtshof der EKD mehrfach für Fälle entschieden, in denen die Dienststellen dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen angehören (KGH.EKD Beschluss vom 8. Juli 2009 – I-0124/P63-08 – z.V.v.; Beschluss vom 20. Oktober 2008 - II-0124/P21-08- n.v.).
b) Auch die hier antragstellende Dienststelle ist nicht aufgrund ihrer Mitgliedschaft im DW.EKiR verpflichtet, auf die neu eingestellten Ärzte den BAT-KF anzuwenden. Als Mitglied des DW.EKiR muss sie kirchenrechtliche Arbeitsrechtsregelungen anwenden. Dies sind aber nicht zwingend solche der Ev. Kirche im Rheinland. Nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a der Satzung des DW.EKiR kann sie wählen, ob sie die für dieses Diakonische Werk geschaffenen Arbeitsrechtsregelungen anwendet oder die für das Diakonische Werk der EKD geschaffenen AVR.DW.EKD (vgl. zum BAT-KF: BAG vom 20. März 2002 - 4 AZR 101/01 - BAGE 101, 9, 16 f.). Von dieser Wahlmöglichkeit hat sie Gebrauch gemacht, indem sie die AVR.DW.EKD seit einiger Zeit bei Neueinstellungen von Ärzten zugrunde legt.
Der § 3 ARRG.EKiR ändert daran nichts. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ARRG.EKiR sind die von der Arbeitsrechtlichen Kommission nach § 2 Abs. 2 ARRG.EKiR und die von der Rheinisch-Westfälisch-Lippischen Arbeitsrechtlichen Schiedskommission nach § 19 ARRG.EKiR beschlossenen Arbeitsrechtsregelungen verbindlich und wirken normativ. Nach § 3 Abs. 2 ARRG.EKiR dürfen nur Arbeitsverträge geschlossen werden, die den von der Arbeitsrechtlichen Kommission und der Arbeitsrechtlichen Schiedskommission beschlossenen Arbeitsrechtsregelungen entsprechen.
Indessen erfasst § 3 ARRG.EKiR nicht die hier in Rede stehende Dienststelle. Nach § 23 Abs. 1 ARRG.EKiR gilt "dieses Arbeitsrechtsregelungsgesetz ... für den Bereich der Ev. Kirche im Rheinland und ihres Diakonischen Werkes". Das kann nur dahin verstanden werden, dass sich der Geltungsbereich des ARRG.EKiR nicht auf die antragstellende Dienststelle erstreckt, denn sie ist nicht das Diakonische Werk der Ev. Kirche im Rheinland, sondern gehört ihm nur als eine Einrichtung qua Vereinsmitgliedschaft an. Der Wortlaut der § 23 ARRG.EKiR beschränkt den Geltungsbereich des § 3 ARRG.EKiR. Die Wörter "ihres Diakonischen Werkes" stehen dafür, dass damit das von der Landeskirche geführte "Diakonische Werk" erfasst ist, nicht aber die einzelnen Dienststellen oder Einrichtungen der Kirchenkreise oder örtlichen Kirchen oder der sonstigen Träger diakonischen Wirkens, auch wenn sie Mitglieder des DW.EKiR sind (vgl. KGH.EKD, Beschluss vom 8. Juli 2009 – I-0124/P63-08 – z.V.v.; Beschluss vom 20. Oktober 2008 - II-0124/P21-08- n.v.).
c) Darf eine diakonische Einrichtung nach übergeordnetem Recht oder nach der Satzung des Diakonischen Werkes, dem sie angehört, zwischen mehreren kirchengesetzlich entstandenen Arbeitsrechtsregelungen wählen, so gibt es keinen Rechtssatz, der gebietet, alle oder alle Gruppen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach nur einem einzigen Arbeitsrechtsregelungswerk zu behandeln. Insbesondere aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot lässt sich dies nicht ableiten. Das allgemeine Gleichbehandlungsgebot gebietet, Gleiches gleich, Ungleiches ungleich zu behandeln. Das aber schließt nicht aus, nach dem so genannten Stichtagsprinzip für sachgerecht gebildete Gruppen unterschiedliche Arbeitsrechtsregelungen anzuwenden.
Das ist hier der Fall. Die Bildung der Gruppe der Ärzte einerseits und der Gruppe der nichtärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter andererseits hinsichtlich der Anwendung der Systeme der Arbeitsrechtsregelungen ist sachgerecht. Sie entspricht tendenziell auch der Entwicklung der Koalitionen und ihren Betätigungen im nichtkirchlichen Bereich. Das Stichtagsprinzip besagt, dass von einem bestimmten Tag (oder Ereignis) an für alle neuen Fälle eine bestimmte andere oder neue Regelung angewendet wird. Es ist auch dann gewahrt, wenn der Stichtag nicht dienststellenöffentlich benannt wird. Vorliegend ist unstreitig, dass die Dienstgeberseite für alle Neueinstellungen von Ärzten kategorisch die AVR.DW.EKD anwenden will (und anwendet), wohingegen die Mitarbeitervertretung dem ebenso kategorisch entgegentritt.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 KiGG.EKD).