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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:04.10.2011
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/T15-11
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 62, § 63 Abs. 7, ArbGG § 85 Abs. 2, § 87 Abs. 2, ZPO § 935
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens - 1. Kammer, SST 1.-2/2011
Schlagworte:Einstweilige Verfügung auf Feststellung der Verletzung eines Mitberatungsrechts, Unwirksamkeit einer Umzugsanordnung der Dienststellenleitung
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Leitsatz:

In kirchengerichtlichen Verfahren der einstweiligen Verfügung können auch Feststellungsanträge verfolgt werden, wenn sie inhaltlich den Anforderungen an den Verfügungsanspruch (§ 935 ZPO) genügen.

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens - 1. Kammer - vom 1. April 2011 - Az. SST 1.-2/2011 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten im Wege der einstweiligen Verfügung über die Wahrung der Mitbestimmungsrechte der antragstellenden Mitarbeitervertretung hinsichtlich der Zusammenlegung der Dienststelle mit zwei weiteren Einrichtungen und des daraus resultierenden innerörtlichen Umzugs der Dienststelle. Die beteiligte Dienststellenleitung hatte am 19. Oktober 2010 die Zusammenlegung und den Umzug zum nächstmöglichen Zeitpunkt beschlossen. Der Beschluss wurde dem Leiter der Dienststelle am 20. Januar 2011 mitgeteilt, er teilte der Mitarbeitervertretung unter dem 23. Januar 2011 mit, die Dienststelle werde in einem ersten Schritt bis zum 31. März 2011 umgezogen sein und bat sie, ihr Mitberatungsrecht so bald wie möglich wahrzunehmen. Der Umzug wurde gemäß dem Zeitplan durchgeführt. Die Dienststellenleitung erklärte sich mit Schreiben vom 21. Februar 2011 zu der von der antragstellenden Mitarbeitervertretung erbetenen Erörterung mit der Dienststellenleitung bereit. Die Erörterung fand am 3. März 2011 statt. Die Dienststellenleitung erklärte sich bereit, den Umzug umfassend personell, finanziell und organisatorisch zu unterstützen und ihn erst in der ersten oder zweiten Woche im April 2011 stattfinden zu lassen; sie unterbreitete der Mitarbeitervertretung zwei Terminvorschläge zur abschließenden Erörterung. Diese lehnte die Antragstellerin unter dem 12. März 2011 ab. Sie hatte bereits am 10. März 2011 die Schlichtungsstelle angerufen.
Die Mitarbeitervertretung sieht sich in ihrem Mitberatungsrecht (§ 45 MVG.EKD) verletzt. Wegen der Einzelheiten ihres erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Inhalt ihres Schriftsatzes nebst Anlagen vom 10. März 2011 Bezug genommen.
Sie hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Mitarbeitervertretung beim Beschluss der Dienststellenleitung zur Zusammenlegung der Dienststelle mit zwei weiteren Einrichtungen und der Verlegung der Dienststelle sowie dem daraus resultierenden Beschluss der Dienststellenleitung zum Umzug der Dienststelle bis zum 31. März 2011 nicht zur Mitberatung herangezogen worden ist,
2. festzustellen, dass der der Antragstellerin mitgeteilte vorbezeichnete Beschluss der Dienststellenleitung einschließlich des mitgeteilten Umzugstermins zum 31. März 2011 unwirksam ist.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten ihres erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 18. und 28. März 2011 Bezug genommen.
Die Schlichtungsstelle hat durch ihren Beschluss vom 1. April 2011 beide Anträge mit im Kern der Begründung abgelehnt, die begehrten Feststellungen könnten nicht im Wege der einstweiligen Verfügung getroffen werden.
Gegen diesen ihr am 20. April 2011 zugestellten Beschluss wendet sich die Mitarbeitervertretung mit ihrer am 28. April 2011 (Fax) eingereichten Beschwerde. Sie verfolgt ihre erstinstanzlichen Anträge weiter, hält den angefochtenen Beschluss für unrichtig und entgegnet auf den richterlichen Hinweis, dass es am Eilbedürfnis für die begehrten Feststellungen fehlen könne, weil der Umzug bereits vollzogen sei, das Rechtsschutzbedürfnis resultiere daraus, dass sich sonst eine solche Verfahrensweise der Dienststellenleitung mit der Folge einbürgern könne, dass die Mitarbeitervertretung von ihren Rechten dauerhaft ausgeschlossen werde. Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Mitarbeitervertretung wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze vom 28. April, 30. Mai und 26. August 2011 Bezug genommen.
Die Dienststellenleitung verteidigt den angefochtenen Beschluss nach näherer Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 6. Juli 2011.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und das Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 des Kirchengesetzes zur Ergänzung und Änderung des Anwendungsgesetzes zum Mitarbeitervertretungsgesetz - AnwG.MVG (ABl.Sachsen 2004, A88).
2. Die Beschwerde ist nicht etwa deshalb unstatthaft oder unzulässig, weil - wie die Dienststellenleitung meint - die beschwerdeführende Mitarbeitervertretung in ihrer Beschwer-de die Dienststelle ausgewechselt hätte. Das ist nicht der Fall. Die Bezeichnung der Dienststellenleitung in der Beschwerdeschrift stimmt mit der Bezeichnung derselben Beteiligten im angefochtenen Beschluss überein.
3. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keiner dieser Gründe liegt vor.
4. Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht (st. Rechtsprechung des KGH.EKD, zuletzt Beschluss vom 12. April 2010 - I-0124/S13-10 - ZMV 2010, 264). Maßgeblich ist, dass die Entscheidung in der Sache, nicht aber nur deren Begründung, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders ausgehen wird.
5. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Vorinstanz hat beide Anträge zu Recht zurückgewiesen. Es fehlt an dem für eine Sachentscheidung vorauszusetzenden Verfügungsgrund.
a) Die Antragstellerin führt ein kirchengerichtliches Beschlussverfahren im Wege der einstweiligen Verfügung. In kirchengerichtlichen Verfahren der einstweiligen Verfügung können auch Feststellungsanträge verfolgt werden, wenn sie inhaltlich den Anforderungen an den Verfügungsanspruch (§ 935 ZPO) genügen. Nach § 935 ZPO darf eine Sachentscheidung nur ergehen, wenn "zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte". Diese Vorschrift ist im erstinstanzlichen Verfahren gem. § 62 MVG.EKD i.V.m. § 85 Abs. 2 ArbGG, im zweitinstanzlichen Verfahren nach § 63 Abs. 7 i.V.m. § 87 Abs. 2, § 85 Abs. 2 ArbGG anzuwenden. Sie beschreibt den Verfügungsgrund; er wird auch Eilbedürftigkeit genannt.
b) Vorliegend sind die Voraussetzungen des § 935 ZPO nicht gegeben. Es fehlt es an der Eilbedürftigkeit für die von der Mitarbeitervertretung beantragten Feststellungen. Die Mitarbeitervertretung will mit beiden Anträgen etwas festgestellt wissen, das keiner vorläufigen Regelung zugänglich ist. Dies hat die Vorinstanz richtig erkannt. Die Anträge haben nicht etwa zum Gegenstand gehabt, die Durchführung des Umzugs durch eine richterliche Anordnung einstweilen zu unterbinden. Aus den im Schriftsatz vom 26. August 2011 mitgeteilten Befürchtungen der Mitarbeitervertretung, es könne sich etwas zu ihren Lasten "einbürgern", folgt keine Eilbedürftigkeit. Ob den gestellten Anträgen in einem - vom Verfahren der einstweiligen Verfügung deutlich zu unterscheidenden - ordentlichen Beschlussverfahren stattzugeben gewesen sein könnte, war nicht zu prüfen, weil die Mitarbeitervertretung ein solches Verfahren innerhalb der Frist des § 45 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD nicht anhängig gemacht hat.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).