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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:24.03.2010
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/S1-10
Rechtsgrundlage:ArbGG § 89 Abs. 3 , ZPO § 233
Vorinstanzen:Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe Kammer Diakonisches Werk Hannovers, 1 VR MVG 61/09; Fundstellen: KuR 2/2010, S. 288
Schlagworte:Beschwerdefrist, Wiedereinsetzung
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Leitsatz:

Der Prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt, der die Absendung fristwahrender Schriftsätze seinem Büropersonal überlässt, ist verpflichtet, eine hinreichende Ausgangskontrolle sicherzustellen. Mit Rücksicht auf die Risiken beim Einsatz eines Telefaxgerätes kommt er dieser Verpflichtung nur dann nach, wenn er die Weisung erteilt, einen Sendebericht ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu überprüfen und die Frist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen. Die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen können insbesondere in der Führung eines Fristenkalenders und der allgemeinen Anweisung bestehen, dass der Fristenkalender am Ende eines jeden Arbeitstags von einer hierfür bestimmten geeigneten Person kontrolliert wird. Übernimmt der Rechtsanwalt generell oder im Einzelfall die Ausgangskontrolle selbst, muss er ebenfalls für eine wirksame Kontrolle Sorge tragen

Tenor:

Die Beschwerde der Dienststellenleitung gegen den Beschluss der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg - Lippe - Kammer Diakonisches Werk Hannovers – vom 21. September 2009 – Az.: 1 VR MVG 61/09 - wird unter gleichzeitiger Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des Versäumnisses der Beschwerdefrist als unzulässig verworfen

Gründe:

I. Die antragstellende und beschwerdeführende Dienststellenleitung beabsichtigt, die der Mitarbeitervertretung angehörende Mitarbeiterin Frau A außerordentlich zu kündigen, und begehrt, die von der Mitarbeitervertretung versagte Zustimmung zu dieser Kündigung durch eine kirchengerichtliche Entscheidung zu ersetzen. Die Vorinstanz hat den Antrag durch ihren Beschluss vom 21. September 2009 zurückgewiesen. Der vollständige Beschluss einschließlich Rechtsmittelbelehrung ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Dienststellenleitung am 8. Dezember 2009 zugestellt worden.
Mit dem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 7. Januar 2010 (Donnerstag) hat die Beschwerdeführerin gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt und darin zugleich zur Begründung vorgetragen. Dieser Schriftsatz ist am 11. Januar 2010 (Montag) per Post beim Beschwerdegericht (dem Kirchengerichtshof der EKD) eingegangen. Mit Schreiben vom 21. Januar 2010 hat der Kirchengerichtshof der EKD der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin den Eingang der Beschwerde vom 7. Januar 2010 bestätigt und das zweitinstanzliche Aktenzeichen mitgeteilt.
Mit ihrem Schriftsatz vom 27. Januar 2010, beim Beschwerdegericht eingegangen am 1. Februar 2010, beantragt die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in die am 8. Januar 2010 abgelaufene Frist zur Einlegung und Begründung der Beschwerde.
Sie trägt dazu vor:
„Dem Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) wurde der am 21. 09.2009 verkündete Beschluss der Schiedsstelle …. (Aktenzeichen 1 VR MVG 61/09) am 08.12.2009 zugestellt. Die Beschwerdefrist wurde hier in einem besonderen Fristenkalender notiert. Zusätzlich wurde eine Woche vor Fristablauf eine Vorfrist eingetragen und die Eintragung im Fristenkalender in den Handakten vermerkt. Am 07.01.2010 hat die Unterzeichnende ihre Sekretärin Frau B angewiesen, die Beschwerdeschrift vom 07.01.2010 sowohl per Post als auch vorab per Telefax an den Kirchengerichtshof zu senden. Diese hat jedoch versehentlich die Beschwerdeschrift lediglich per Post versandt. Erst durch das Schreiben des Kirchengerichtshofes vom 21.01.2010, hier eingegangen am 25.01.2010, fiel der Unterzeichnerin auf, dass die Beschwerdeschrift nicht zusätzlich per Telefax an den Kirchengerichtshof übersandt worden ist. Die Frist für den Antrag ist demgemäß gewahrt.
Bei der Angestellten Frau B handelt es sich um eine geschulte und zuverlässige Bürokraft, die, wie regelmäßige Kontrollen der Unterzeichnerin ergeben haben, den Fristenkalender sorgfältig und fehlerlos führt und seit mehreren Jahren stets auf die rechtzeitige Einreichung von Schriftsätzen auch der Telefax sorgfältig achtet. Zur Glaubhaftmachung wird die Richtigkeit der Angaben, soweit sie die Wahrnehmung der Unterzeichnenden betreffen, anwaltlich versichert. Außerdem nehme ich Bezug auf die anliegende eidesstattliche Versicherung der Frau B.
Ich beantrage daher, die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gem. § 65 VII MVG i.V.m. §§ 80 II, 46 II ArbGG, 233 ff ZPO zu gewähren.
Dr. C
Rechtsanwältin“
In einem weiteren Schriftsatz von selben Tag, der ebenfalls am 1. Februar 2010 beim Beschwerdegericht eingegangen, trägt die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf den Wiedereinsetzungsantrag ergänzend vor:
„Wir haben nunmehr den Vorgang anhand unseres Computersystems überprüft und dabei festgestellt, dass die Beschwerdeschrift am 07.01.2010 um 9:51 Uhr von Frau B ausgedruckt wurde. Diese hat unmittelbar danach, d.h. um ca. 10.00 Uhr der Unterzeichnerin den Schriftsatz zur Unterschrift vorgelegt. Diese hat ihn sofort unterschrieben und an Frau B zurückgegeben mit der nochmaligen Anweisung, den Schriftsatz sogleich vorab per Telefax zu übersenden. Vor der Mittagspause hat die Unterzeichnerin kontrolliert, ob die Beschwerdeschrift per Fax rausgegangen ist, indem sie bei Frau B nachgefragt hat. Diese bejahte gegenüber der Unterzeichnerin, dass der Schriftsatz raus ist.
Dr. C
Rechtsanwältin“
Auf die beiden Schriftsätze beigefügten eidesstattlichen Versicherungen der Frau B wird Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war unter gleichzeitiger Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist durch den Vorsitzenden zu verwerfen (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 89 Abs. 3 ArbGG).
1. Die Beschwerde war mangels Einhaltung der Frist zur Einlegung der Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 89 Abs. 3 ArbGG). Die Frist zur Einlegung der Beschwerde beträgt einen Monat (§ 65 Abs. 4 MVG.K); sie beginnt mit der förmlichen Zustellung des vollständigen, mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Beschlusses der Schlichtungsstelle (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 87 Abs. 2 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 2, § 9 Abs. 5 Satz 1 bis 3 ArbGG). Hier hat die Frist zur Einlegung der Beschwerde am 8. Dezember 2009 zu laufen begonnen, denn an diesem Tag ist der Beschwerdeführerin der angefochtene vollständige Beschluss mit Rechtsmittellehrung förmlich zugestellt worden. Die Beschwerde ist indessen nicht innerhalb der bis zum Freitag, den 8. Januar 2010 währende Beschwerdefrist eingegangen, sondern erst am Montag, den 11. Januar 2009.
2. Der Antrag der Beschwerdeführerin, Wiedereinsetzung gegen die Versäumnis der Beschwerdefrist zu gewähren, war abzulehnen (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 87 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 Satz 2, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 517 Satz 1 ZPO, § 233 ZPO). Über diesen Antrag war zugleich mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu befinden (§ 238 ZPO). Der Wiedereinsetzungsantrag ist nach den §§ 234, 236 ZPO zulässig, aber nicht nach § 233 ZPO begründet. Es ist weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden dass ein Wiedereinsetzungsgrund i.S. des § 233 ZPO vorliegt. Der Antrag zeigt nicht auf, dass eine hinreichende Ausgangskontrolle hinsichtlich der Fristwahrung der Beschwerdeschrift stattgefunden hat.
a) Von einer unverschuldeten Versäumung der Notfrist zur Einlegung der Beschwerde kann nur die Rede sein, wenn das Versäumnis trotz hinreichender organisatorisch geordneter Kontrolle der Fristwahrung unterlaufen und vom Rechtsanwalt nicht verschuldet ist. Rechtsmittelfristen dürfen im Fristenkalender erst gelöscht werden, wenn eine hinreichende Ausgangskontrolle des Inhalts stattgefunden hat, dass alles Erforderliche getan worden ist, um die Frist zu wahren. Verlässt sich der Rechtsanwalt darauf, die Frist werde schon eingehalten sein, ohne dass eine solche organisatorisch geordnete Fristenkontrolle mit Hilfe einer Ausgangskontrolle stattgefunden hat, so ist ein Fristversäumnis nicht als unverschuldet i.S. d. § 233 ZPO anzusehen.
b) Soll – wie hier – der Schriftsatz zwecks Fristwahrung per Telefax übermittelt werden, so darf die zu wahrende Frist erst dann im Fristenkalender gelöscht werden, wenn eine schriftliche oder telefonische Eingangsbestätigung des Empfängers oder ein vom Absendegerät ausgedruckter Einzelnachweis, auch Sendeprotokoll genannt, vorliegt (BGH, Beschluss vom 2. Juli 2001 - II ZB 28/00 - NJW RR 2002, 60). Der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt, der die Absendung fristwahrender Schriftsätze seinem Büropersonal überlässt, ist verpflichtet, eine hinreichende Ausgangskontrolle sicherzustellen. Mit Rücksicht auf die Risiken beim Einsatz eines Telefaxgerätes kommt er dieser Verpflichtung nur dann nach, wenn er die Weisung erteilt, einen Sendebericht ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu überprüfen und die Frist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen. Zu den erforderlichen organisatorischen Maßnahmen gehört insbesondere das Führen eines Fristenkalenders mit der allgemeinen Anweisung, dass der Fristenkalender am Ende eines jeden Arbeitstags von einer hierfür bestimmten geeigneten Person kontrolliert wird und dass Fristen erst dann als eingehalten gestrichen werden, wenn die nötige Ausgangskontrolle ergibt, dass z.B. der zur Fristwahrung dienende Schriftsatz rechtzeitig per Telefax übermittelt worden ist. Um erkennen zu können, dass der fristwahrende Schriftsatz rechtzeitig per Telefax übermittelt worden ist, bedarf es entweder der entsprechenden Bestätigung des Empfängers oder zumindest eines hinreichen aussagekräftigen Sendeprotokolls. Übernimmt der Rechtsanwalt generell oder im Einzelfall die Ausgangskontrolle selbst, muss er ebenfalls für eine wirksame Kontrolle Sorge tragen (BAG, Urteil vom 19. Juli 2007 - 6 AZR 432/06 - NJW 2007, S. 3021 = NZA 2007, S. 1126).
c) Die Beschwerdeführerin trägt nicht vor, dass ihre Verfahrensbevollmächtigte eine derartige Kontrolle eingerichtet oder selbst ausgeübt habe. Die Nachfrage, ob der Schriftsatz „raus“ sei, lässt ebenso wie die Antwort offen, was damit gemeint sei, nämlich die Absendung der Briefpost oder nur oder auch die Übermittlung per Telefax. Selbst wenn letzteres mit dem „raus“ sowohl von der verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwältin als auch von deren Sekretärin gemeint war, war die Fristenkontrolle unzureichend, weil es dann an einer wirksamen Kontrolle (Sendebericht oder Eingangsbestätigung) fehlte.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).