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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:12.04.2010
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/S13-10
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 2 Abs. 3 Satz 1 , § 38, § 42 Buchstabe k
Vorinstanzen:Kirchengericht der Ev.-Luth. Kirche in Bayern für Streitigkeiten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz, 26/0-6/4-679; Fundstellen: ZMV 5/2010, S. 264, KuR 2/2010, S. 287
Schlagworte:Altersteilzeit für eine gestellte Arbeitnehmerin
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Leitsatz:

Der Antrag auf Gewährung von Altersteilzeit ist die Änderung des bisherigen Arbeitsvertrags gerichtet. Es muss bei einer infolge Gestellung "gespaltenen" Zugehörigkeit des Mitarbeiters zur entsendenden Dienststelle und zur Beschäftigungsdienststelle (vgl. § 2 Abs. 3 MVG.EKD) von der Dienststelle eingeleitet werden, die Abschlusspartner des bisherigen Arbeitsvertrags ist und damit auch des angestrebten Altersteilzeitvertrags sein wird.

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Kirchengerichts der Ev.-Luth. Kirche in Bayern für Streitigkeiten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz vom 16. Dezember 2009 - Az.: 26/0-6/4-679 wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Verweigerung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Ablehnung des Antrags der 1952 geborenen Mitarbeiterin Frau A, mit ihr einen Altersteilzeitvertrag zu schließen. Frau A hat diesen Antrag mit Datum vom 1. Februar 2009 an die Evangelische Stiftung A gerichtet. Mit der Evangelischen Stiftung A hat sie einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen, wonach sie seit dem 1. September 1991 als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft für Nahrungszubereitung, Haus- und Textilpflege und Praxisbetreuung angestellt ist. Im Arbeitsvertrag heißt es, der Einsatz erfolge „auf unbestimmte Zeit beim Diakonischen Werk; aus zwingenden dienstlichen oder betrieblichen Gründen könne der Einsatz auch bei einem anderen der Evangelischen Stiftung A beigetretenen Träger erfolgen“. In der Folgezeit ist der Arbeitsvertrag mehrfach geändert worden, zuletzt durch den 12. Änderungsvertrag zwischen der Evangelischen Stiftung A und Frau A vom 14. August 2008.
Die Evangelische Stiftung A stellt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für verschiedene unmittelbar von der Ev.-Luth. Kirche in Bayern oder von deren diakonischen Werken und Einrichtungen getragenen Einrichtungen in Bayern ein, wenn diese „Träger“ der Stiftung beigetreten sind, d.h. mit ihr einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen haben. Zwischen der Stiftung und der Antragstellerin besteht ein solcher Vertrag, datiert auf den 16. April 1991. Nach dessen § 1 Abs. 2 stellt die Stiftung Beamte, Angestellte und Arbeiter auf den Antrag des Trägers ein; die Personalauswahl erfolgt durch den Träger. Gemäß § 2 Abs. 1 wird die Stiftung die nach § 1 angestellten Mitarbeiter zum Träger versetzen oder beurlauben. Nach § 3 bedarf die Anstellung eines Beschlusses des Stiftungsrates der Stiftung und des zuständigen Organs des Trägers.
Nach § 4 - Personalverwaltung - Abs. 1
„ist für die versetzten, abgeordneten oder beurlaubten Mitarbeiter der Stiftung
- Dienstbehörde das vertretungsberechtigte Organ der Stiftung,
- Dienstvorgesetzter der Vorsitzende des vertretungsberechtigten Organs des Trägers
- Vorgesetzter, wer einem Mitarbeiter für seine dienstliche Tätigkeit Anordnungen erteilen kann.“
Nach § 4 Abs. 2 Satz 1
„übernimmt die Stiftung für die nach § 1 angestellten Mitarbeiter die Personalverwaltung, soweit diese nicht gemäß Abs. 3 vom Träger wahrgenommen wird“.
In Absatz 3 ist eine Geschäftsverteilung vereinbart, nach Ziffer 2 des Absatzes 3 obliegt der Stiftung insbesondere die
-„Unterzeichnung … der Dienstverträge“.
Die Stiftung beschäftigt für die Zwecke der eigenen Verwaltung etwa 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; bei ihr ist eine Mitarbeitervertretung gebildet.
Die Stiftung hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 23. Februar 2009 um Mitteilung gebeten, ob sie als Kostenträgerin mit einer Altersteilvereinbarung mit Frau A einverstanden wäre. Zum Altersteilzeitantrag der Frau A hat nicht die Evangelische Stiftung A, sondern die Antragstellerin das Anhörungsverfahren nach § 38, § 42 Buchstabe k MVG.EKD bei der bei ihr gebildeten Mitarbeitervertretung eingeleitet, weil sie den Altersteilzeitantrag „aus wirtschaftlichen Gründen“ ablehnen will.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, die dafür maßgebliche Entscheidung falle bei ihr, der Antragstellerin, und nicht bei der Evangelischen Stiftung A. Deshalb müsse sie und nicht die Evangelische Stiftung A das Anhörungsverfahren durchführen, und zwar mit der bei ihr und nicht mit der bei der Stiftung bestehenden Mitarbeitervertretung. Die Stiftung habe ihr schriftlich bestätigt, dass sie an die Entscheidung des Diakonischen Werkes (Antragstellerin) gebunden sei und dass die bei der Stiftung bestehende Mitarbeitervertretung nicht zuständig sei. Sie hat hinsichtlich der wirtschaftlichen Gründe Berechnungen vorgelegt. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze und Anlagen der Antragstellerin vom 16. Juli, 28. Juli, 22. Oktober, 25. November und 14. Dezember 2009 Bezug genommen. Sie hat beantragt:
Die Zustimmung der beteiligten Mitarbeitervertretung zur Ablehnung des Antrags der Mitarbeiterin A, geb. 1952, auf Bewilligung von Altersteilzeit vom 1. Februar 2009 wird ersetzt.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat ihre Zustimmung „vorläufig verweigert“, weil sie die erbetenen Antworten auf ihre Fragen nicht erhalten habe. Mit ihrer E-mail vom 4. Juni 2009 hatte sie um Ergänzungen für ein Erörterungsverfahren gebeten, u.a. wie sich die Mitarbeitervertretung der Evangelischen Stiftung A zum Altersteilzeitantrag der Frau A positioniert habe und weshalb die Dienststellenleitung den Altersteilzeitantrag aus wirtschaftlichen Gründen ablehne. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Mitarbeitervertretung wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen vom 21. August und 4. Dezember 2009 Bezug genommen.
Das Kirchengericht hat durch seinen Beschluss vom 16. Dezember 2009 den Antrag mit im Kern der Begründung zurückgewiesen, nicht die Antragstellerin, sondern die Stiftung habe das Anhörungsverfahren einleiten müssen, denn die Stiftung sei Partnerin des Arbeitsvertrags mit Frau A. Weil die Stiftung kein Mitbestimmungsverfahren eingeleitet habe, könne dahingestellt bleiben, ob die Stiftung die bei ihr bestehende oder die beim der Antragstellerin bestehende Mitarbeitervertretung anzuhören habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen ihr am 20. Januar 2010 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 11. Februar 2010 (Fax) eingereichten Beschwerde. Ihre Beschwerdebegründungsschrift ist am 22. März 2010 (Fax) eingegangen. Sie meint, die Beschwerde sei wegen Unrichtigkeit und wegen grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung anzunehmen. Der Beschluss gehe an der Rechtslage vorbei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 22. März 2010 Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und das Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 Übernahmegesetz der Ev.-Luth. Kirche in Bayern (KABl. 2004 S. 48).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen die verfahrensbeendenden Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland oder einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keiner dieser Gründe liegt vor, insbesondere nicht die zu Nummer 1 und Nummer 2.
a) Der Annahmegrund zu § 63 Abs. 2 Satz 2 Nummer 1 MVG.EKD liegt nicht vor.
aa) Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht (std. Rspr. des KGH.EKD, z.B.: Beschluss vom 7. April 2008 - I-0124/P5-08 - ZMV 2009, S. 37; Beschluss vom 10. November 2008 - I-0124/P37-08 - ZMV 2009, S. 36; Beschluss vom 20. April 2009 - I-0124/R10-09; Beschluss vom 1. September 2009; I-0124/R26-09, Beschluss vom 27. Januar 2010 - II-0124/P36-08 alle www.ekd.de, z.V.v.,). Umstände, aus denen sich ergibt, dass die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders zu treffen sein werde, sind weder vorgebracht noch ersichtlich.
bb) Zutreffend hat die Vorinstanz angenommen, dass das Anhörungsverfahren (§ 38 MVG.EKD) hinsichtlich der Ablehnung eines Antrags auf Zustimmung zum Abschluss eines Altersteilzeitvertrags (§ 42 Buchstabe k MVG.EKD) von der entsendenden Dienststelle eingeleitet werden muss. Der Antrag ist auf die Änderung des bisherigen Arbeitsvertrags gerichtet. Es muss bei einer - wie hier - infolge Gestellung „gespaltenen“ Zugehörigkeit des Mitarbeiters zur entsendenden Dienststelle und zur Beschäftigungsdienststelle (vgl. § 2 Abs. 3 MVG.EKD) von der Dienststelle eingeleitet werden, die Abschlusspartner des bisherigen Arbeitsvertrags ist und damit auch des angestrebten Altersteilzeitvertrags sein wird. Die Entsendung an die Beschäftigungsdienststelle hat zwar zur Folge, dass der Mitarbeiter dort als solcher i.S. des MVG.EKD gilt; gleichzeitig ordnet dieselbe Norm jedoch an, dass die rechtlichen Beziehungen des Mitarbeiters zur entsendenden Stelle unberührt bleiben (§ 2 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD). Dementsprechend ist mitarbeitervertretungsrechtlich die Beschäftigungsdienststelle zuständig, soweit es die Beschäftigung i.S. der Vertragsdurchführung betrifft, während für den Arbeitsvertrag selbst die Stelle zuständig bleibt, mit der der Arbeitsvertrag geschlossen worden ist (vgl. zur Einstellung einer Ordensschwester aufgrund Gestellungsvertrags: VerwG.EKD, Beschluss vom 5. August 1999 - 0124/D4-99 - ZMV 1999, S. 296).
Vorliegend geht es um die Änderung des Arbeitsvertrags. Diese rechtliche Beziehung der Frau A besteht eindeutig nicht mit dem Diakonischen Werk (Antragstellerin, Beschwerdeführerin), sondern nur mit der Evangelischen Stiftung A. Letztere hat den Arbeitsvertrag mit Frau A abgeschlossen und mehrfach geändert. Folgerichtig hat Frau A ihren Altersteilzeitantrag an diese Stiftung gerichtet. Der Umstand, dass die Entscheidung der Evangelischen Stiftung A über diesen Antrag bereits wegen dessen wirtschaftlichen Folgen letztlich vom Votum des Diakonischen Werkes als dem (Kosten-)Träger abhängt, ändert nichts daran, dass nicht letztere, sondern erstere Vertragspartner des Arbeitsvertrags, dessen Änderung Frau A anstrebt, ist und bleibt.
Der Umstand, dass nicht die Antragstellerin, sondern die Evangelische Stiftung das Mitbestimmungsverfahren nach § 38, § 42 Buchstabe k MVG.EKD einzuleiten hat, besagt andererseits noch nichts darüber, welche Mitarbeitervertretung zuständig ist. Diese Frage hat die Vorinstanz nicht beantwortet. Das ist rechtlich schon deshalb nicht zu beanstanden, weil es nicht zum Gegenstand des Verfahrens der hier Beteiligten gehört.
b) Die Beschwerde war auch nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage nach § 63 Abs. 2 Satz 2 Nummer 2 MVG.EKD zur Entscheidung anzunehmen.
aa) Der Annahmegrund der grundsätzlichen Bedeutung bezieht sich nicht auf den Fall insgesamt, sondern auf die Rechtsfrage(n), die sich in dem Fall stellt (stellen) und beantwortet werden muss (müssen). Für den Annahmegrund „grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage“ (§ 63 Abs. 2 Satz 2 Nummer 2 MVG.EKD) muss die Rechtsfrage so genau bezeichnet sein, dass sie grundsätzlich mit „Ja“ oder mit „Nein“ beantwortet werden kann (KGH.EKD, Beschluss vom 27. Januar 2010 - II-0124/P36-08, www.ekd.de, z.V.v.). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn die Entscheidung der mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeit von der Beantwortung dieser Rechtsfrage abhängt, diese klärungsbedürftig und klärungsfähig und die Klärung von allgemeiner Bedeutung für die kirchliche oder diakonische Rechtsordnung ist (KGH.EKD 30. Juni 2006 - I-0124/M21-06 - ZMV 2006, S. 307; vgl. zur grundsätzlichen Bedeutung nach § 63 Abs. 1 Buchstabe g MVG.EKD a.F.: KGH.EKD 19. Mai 2005 - II-0124/K40-04, ZMV 2006, S. 89).
bb) Hier fehlt es an der allgemeinen Bedeutung der Rechtsfrage. Altersteilanträge werden künftig infolge Auslaufens der entsprechenden Regelung nicht mehr gestellt werden können.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).