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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:24.01.2010
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/S20-10
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 63 Abs. 7 MVG.K § 40 Nr. 4 und 5 ArbGG § 89 Abs. 1, § 87 Abs. 2 ZPO § 524
Vorinstanzen:Schiedsstelle der Konföderation ev. Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover und Oldenburg Kammer Diakonisches Werk Oldenburg, Sl-14/09
Schlagworte:Anschlussbeschwerde, Mitbestimmung bei Dienstplänen
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Leitsatz:

1. Nach § 63 Abs. 7 MVG.EKD i. V. m. § 89 Abs. 1, § 87 Abs. 2 ArbGG, § 524 ZPO kann ein Beteiligter gegen einen erstinstanzlichen Beschluss Anschlussbeschwerde einlegen, wenn er beschwerdebefugt und durch den erstinstanzlichen Beschluss beschwert ist.
2. Auch die Anschlussbeschwerde bedarf nach § 63 Abs. 2 MVG.EKD der Annahme zur Entscheidung.
3. Analog § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist die Anschlussbeschwerde bis zum Ablauf der Frist zur Beschwerdeerwiderung einzulegen.

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Dienststellenleitung wird der Beschluss der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover und Oldenburg - Kammer Diakonisches Werk Oldenburg - vom 21. Januar 2010, Az.: Sl-14/09, abgeändert:
Der Antrag der Mitarbeitervertretung wird zurückgewiesen.
2. Auf die Anschlussbeschwerde der Mitarbeitervertretung wird der Beschluss der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover und Oldenburg - Kammer Diakonisches Werk Oldenburg - vom 21. Januar 2010, Az.: Sl-14/09, abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin nicht berechtigt ist, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Dienstpläne ohne vorherige Zustimmung der Antragstellerin festzulegen, sofern diese Festlegung nicht aufgrund von Grundsätzen der Dienstplanung erfolgt, die mit Zustimmung der Antragstellerin aufgestellt wurden, oder kein Fall des § 39 Abs. 5 MVG.K vorliegt.

Gründe:

I. Die beschwerdeführende Einrichtung, die dem Diakonischen Werk Oldenburg angehört, betreibt unter anderen die vorliegend betroffene Einrichtung. Die bei ihr bestehende antragstellende Mitarbeitervertretung begehrt mit ihrem am 27. November 2009 (Fax) eingereichten Antrag im Wege der einstweiligen Verfügung und in der Hauptsache die Feststellung, dass die Dienstpläne für den Monat Dezember 2009 unwirksam sind und die Dienststellenleitung nicht berechtigt sei, diese Dienstpläne anzuordnen. Die Schlichtungsstelle hat dem Begehren - ohne Differenzierung nach der Verfahrensart - durch ihren Beschluss vom 21. Januar 2010 insoweit stattgegeben, als sie festgestellt hat, dass die in Rede stehenden Dienstpläne „unter Verletzung der Beteiligungsrechte der Mitarbeitervertretung zustande gekommen sind“.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Dienststellenleitung. Sie hebt hervor, dass es infolge Zeitablaufs der in Rede stehenden Dienstpläne am 31. Dezember 2009 an jedem Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines Rechtsverhältnisses mangele. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründungsschrift vom 4. März 2010 Bezug genommen.
Der Senat hat die Beschwerde durch seinen Beschluss vom 29. Dezember 2010 zur Entscheidung in der Sache angenommen. Der Antragstellerin wurde eine Frist zur Beschwerdeerwiderung bis zum 14. Januar 2011 gesetzt.
Mit ihrem am 13. Januar 2011 eingereichten Schriftsatz vom 4. Januar 2011, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat die Antragstellerin Anschlussbeschwerde mit dem Ziel eingelegt, der Beschwerdeführerin die Aufstellung von nicht mitbestimmten Dienstplänen, soweit diese nicht auf mitbestimmten Dienstplangrundsätzen beruhten, oder Eilfälle i.S. des § 39 Abs. 5 MVG.K sind, untersagen zu lassen. In der Dienststelle sind Grundsätze für die Aufstellung von Dienstplänen nach § 40 Nr. 5 MVG.K nicht aufgestellt worden.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
auf die Beschwerde den Beschluss der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover und Oldenburg - Kammer Diakonisches Werk Oldenburg - vom 21. Januar 2010 - Az.: SI 14/09 - abzuändern
und den Antrag der Mitarbeitervertretung zurückzuweisen,
ferner,
die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.
Die Anschlussbeschwerdeführerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen
und
auf die Anschlussbeschwerde den Beschluss der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover und Oldenburg - Kammer Diakonisches Werk Oldenburg - vom 21. Januar 2010 - Az.: SI 14/09 - abzuändern
und
festzustellen, dass die Beschwerdeführerin nicht berechtigt ist, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Dienstpläne ohne vorherige Zustimmung der Antragstellerin festzulegen, sofern diese Festlegung nicht aufgrund von Grundsätzen der Dienstplanung erfolgt, die mit Zustimmung der Antragstellerin aufgestellt wurden, oder kein Fall des § 39 Abs. 5 MVG.K vorliegt.
II. Die Beschwerde und die Anschlussbeschwerde sind begründet.
1. Die Beschwerde ist begründet. Es fehlt an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 87 Abs. 2, § 80 Abs. 2 ArbGG vorausgesetzten Interesse an der alsbaldigen Feststellung schon deshalb, weil die Dienstpläne für den Dezember 2009 mit Ablauf eben dieses Monats ihre Erledigung gefunden haben. Dies hat die Vorinstanz verkannt.
2. Die Anschlussbeschwerde war zur Entscheidung anzunehmen (insofern gleichlautend § 65 Abs. 2 MVG.K; § 63 Abs. 2 MVG.EKD).
a) Der Schriftsatz der Mitarbeitervertretung vom 4. Januar 2011 ist - obwohl der Ausdruck „Anschlussbeschwerde“ nicht verwendet wird - inhaltlich als Anschlussbeschwerde zu verstehen. Dies kam auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24. Januar 2011 zum Ausdruck.
b) Auch die Anschlussbeschwerde bedarf nach § 63 Abs. 2 MVG.EKD der Annahme zur Entscheidung. Die Entscheidung nach § 63 Abs. 2 MVG.EKD kann durch gesonderten Beschluss erfolgen. Dies ist immer dann geboten, wenn die Annahme zur Entscheidung abgelehnt wird. Es ist aber, um eine Vertagung einer bereits zur mündlichen Verhandlung terminierten Sache zu vermeiden, auch möglich, die Anschlussbeschwerde stillschweigend anzunehmen, wenn die Sache selbst - die Annahme der Anschlussbeschwerde zur Entscheidung unterstellt - auf die bereits terminierte mündliche Verhandlung entscheidungsreif ist. Das ist hier der Fall.
c) Die Annahme der Anschlussbeschwerde zur Entscheidung setzt voraus, dass die Anschlussbeschwerde statthaft und zulässig ist. Nach § 63 Abs. 7 MVG.EKD i. V. m. § 89 Abs. 1, § 87 Abs. 2, § 524 ZPO kann ein Beteiligter gegen einen erstinstanzlichen Beschluss Anschlussbeschwerde einlegen, wenn er beschwerdebefugt und durch den erstinstanzlichen Beschluss beschwert ist. Diese Voraussetzungen sind gegeben.
aa) Die antragstellende Mitarbeitervertretung ist beschwerdebefugt. Sie war als Antragstellerin notwendige Beteiligte im ersten Rechtszug.
bb) Auch die Frist zur Einlegung der Anschlussbeschwerde ist gewahrt. Nach mehrfacher Änderung des Rechts zur Einlegung der Anschlussbeschwerde im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, die ihrerseits auf die Vorschriften der ZPO über die Anschlussberufung verweisen (vgl. ausführlich GK-ArbGG/Dörner, § 89 ArbGG) ist die Anschlussbeschwerde analog § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO bis zum Ablauf der Frist zur Beschwerdeerwiderung einzulegen. Die hierfür bis zum 14. Januar 2011 gesetzte Frist war bei der Einlegung der Anschlussbeschwerde am 13. Januar 2011 noch nicht abgelaufen.
cc) Die dem Annahmebegehren stattgebende Entscheidung bedarf keiner Begründung hinsichtlich der Annahmegründe (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 2 MVG.EKD).
3. Die Anschlussbeschwerde ist begründet.
a) Der Mitarbeitervertretung steht für die begehrte Feststellung das nach § 256 Abs. 1 ZPO notwendige Feststellungsinteresse zur Seite. Dieses ergibt sich nicht zuletzt aus der wiederholten Nichtbeachtung des § 40 Nr. 4 i. V. m. § 39 Abs. 1 Satz 1 MVG.K durch die Dienststellenleitung. Der mit der Anschlussbeschwerde verfolgte Antrag ist rechtlich geeignet, die Angelegenheit zu befrieden.
Nach § 40 Nr. 4 MVG.K hat die Mitarbeitervertretung über die Festlegung von Dauer, Beginn, und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen, grundsätzlich mitzubestimmen. Die regelmäßige Form der Festlegung dieser Merkmale erfolgt durch einen Dienstplan, so bei der beschwerdeführenden Dienststelle. Unstreitig pflegt diese die antragstellende Mitarbeitervertretung an der Aufstellung solcher Dienstpläne immer wieder nicht zu beteiligen. Hierüber hat es hinsichtlich einzelner, konkret benannter Dienstpläne eine Reihe von Auseinandersetzungen, sowohl vor der erstinstanzlichen Schiedsstelle als auch vor dem Kirchengerichtshof der EKD gegeben. Dieses Feststellungsinteresse könnte zwar entfallen, wenn die Beteiligten eine Dienstvereinbarung über die Aufstellung von Grundsätzen für die Aufstellung von Dienstplänen gemäß § 40 Nr. 5 MVG.K getroffen hätten oder sie sich erkennbar zur Aufstellung solcher Grundsätze bereitgefunden hätten. Das aber ist nicht der Fall, wie sich in der mündlichen Verhandlung zeigte.
b) Der Antrag ist auch begründet.
aa) Die Dienststelle ist im aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang nicht berechtigt, Beginn und Ende der Arbeitszeit durch Dienstpläne ohne vorherige Zustimmung der Mitarbeitervertretung festzulegen. Dabei geht es nur um die vorhersehbare Festlegung im Rahmen der Vorhersehbarkeit. Fälle der unvorhersehbaren, aufgrund besonderer Erfordernisse kurzfristig und unregelmäßig festzusetzenden Arbeitszeit, werden vom Antrag wie vom Beschlusstenor ebenso wenig erfasst wie die Fallgestaltung, dass dem Dienstplan Grundsätze zugrunde liegen, die nach § 40 Nr. 5 MVG.K mit Zustimmung der Mitarbeitervertretung aufgestellt worden sind, oder dass es sich um vorübergehende, keinen Aufschub duldende Maßnahmen i.S. des § 39 Abs. 5 MVG.K handelt.
bb) Die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit unterliegt nach § 40 Nr. 4 1. Halbsatz MVG.K im aus dem Antrag ersichtlichen Umfang unter Berücksichtigung der dortigen Einschränkungen der Mitbestimmung. Nach 39 Abs. 1 Satz 1 MVG.K darf eine der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme erst vollzogen werden, wenn die Zustimmung der Mitarbeitervertretung vorliegt oder die nicht erteilte Zustimmung durch die Schiedsstelle ersetzt ist. Zulässig ist dagegen, Dienstpläne ohne vorherige Zustimmung der Mitarbeitervertretung aufzustellen, wenn sie die mit vorheriger Zustimmung der Mitarbeitervertretung (oder deren kirchengerichtliche Ersetzung) errichteten Grundsätzen über die Dienstplangestaltung nach § 40 Abs. 5 MVG.K einhalten. Ebenso sind vorübergehende Aufstellungen in Fällen, die keinen Aufschub dulden, nach § 39 Abs.5 MVG.K ohne Zustimmung der Mitarbeitervertretung zulässig.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).