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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:29.10.2010
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/S26-10
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 63 Abs. 7, MVG.W § 54 a, § 55, § 55 a, § 63, ArbGG § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4, 5, Abs. 4, § 89 Abs. 1
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Landeskirche und Diakonie Württemberg, VR 19/2009)
Schlagworte:Rechtsreferentin der Landeskirchlichen Mitarbeitervertretung Württemberg , Verfahrensbevollmächtigte einer Mitarbeitervertretung, Verfahrensbevollmächtigte einer Mitarbeitervertretung im mitarbeitervertretungsrechtlichen Beschlussverfahren vor dem Kirchengerichtshof
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Leitsatz:

Eine Rechtsreferentin der Landeskirchlichen Mitarbeitervertretung Württemberg (Gesamtausschuss) i.S.d. §§ 54 ff. MVG.W kann nicht wirksam für eine an dem mitarbeitervertretungsrechtlichen Beschlussverfahren beteiligte Mitarbeitervertretung Beschwerde beim Kirchengerichtshof der EKD einlegen; sie ist nicht Verbandsvertreterin i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 i.V.m. § 89 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 11 Abs. 4 ArbGG, § 63 Abs. 7 MVG.EKD.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Landeskirche und Diakonie Württemberg vom 9. März 2010 - Az.: VR 19/2009 L - wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I. Die Beteiligten haben darüber gestritten, ob die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur außerordentlichen Kündigung gegenüber der Mitarbeitervertreterin Frau E zu ersetzen ist.
Die Schlichtungsstelle hat mit dem der Mitarbeitervertretung am 24. März 2010 zugestellten Beschluss vom 9. März 2010 die Zustimmung der bei der Dienststelle gebildeten Mitarbeitervertretung zur außerordentlichen Kündigung des Mitglieds der Mitarbeitervertretung Frau E gemäß §§ 21 Abs. 2 und 38 MVG.W ersetzt.
Hiergegen wendet sich die Mitarbeitervertretung mit ihrer am 16. April 2010 per Fax beim Kirchengerichtshof eingelegten Beschwerde. Die Beschwerde wurde auf dem Briefkopf "Landeskirchliche Mitarbeitervertretung Württemberg" "Laki MAV" (Bl. 1 der Senatsakte) geschrieben und "namens und mit Vollmacht" der Mitarbeitervertretung eingelegt und von Frau D mit dem Zusatz "Rechtsreferentin Landeskirchliche Mitarbeitervertretung Württemberg ..." unterschrieben.
Die beigefügte Vollmacht vom 13. April 2010 lautet auszugsweise:
"Hiermit erteilt die Mitarbeitervertretung Frau D von der Landeskirchlichen Mitarbeitervertretung in Württemberg die Vollmacht, uns anwaltlich zu vertreten.
Frau D soll für uns in der Sache ... Beschwerde gemäß § 63 MVG beim Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der EKD einreichen."
Die Dienststellenleitung hält die Beschwerde für unzulässig.
II. Die Beschwerde ist zwar an sich statthaft, gleichwohl aber unzulässig. Die Mitarbeitervertretung war bei der Einlegung der Beschwerde nicht ordnungsgemäß vertreten.
1. Die Beschwerde ist nach § 63 Buchstabe c) MVG.W an sich statthaft.
Die Neufassung der Bestimmungen über die Beschwerde im MVG.EKD nach Artikel 5 Nr. 31 des Kirchengesetzes über die Errichtung, die Organisation und das Verfahren der Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 6. November 2003 (ABl. EKD S. 408), das am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist (Artikel 8 § 2 Abs. 1), ist nicht anzuwenden. Die Ev. Landeskirche in Württemberg hat das MVG.EKD bislang nicht übernommen. Daher kommt es für die Statthaftigkeit und Zulässigkeit der Beschwerde auf die anzuwendenden Regelungen nach dem MVG.W an, während sich die Durchführung des Verfahrens selbst in der Zeit nach dem 1. Januar 2004 nach den mit diesem Tag für das Verfahren in Streitigkeiten nach dem MVG geltenden Verfahrensvorschriften, nämlich gemäß § 63 Abs. 7 MVG.EKD nach den Vorschriften über das Beschwerdeverfahren des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens richtet.
2. Nach § 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 89 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 11 Abs. 4 ArbGG muss die Beschwerdeschrift von einem Rechtsanwalt oder einer nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 ArbGG zur Vertretung befugten Person - Verbandsvertreter - unterzeichnet sein.
Das ist hier nicht der Fall.
a) Zur Vertretung ist jede(r) bei einem deutschen Gericht zugelassene(r) Rechtsanwältin/Rechtsanwalt berechtigt. Selbst wenn Frau D als Rechtsanwältin zugelassen wäre - soweit ersichtlich ist sie das nicht -, hat sie als solche die Mitarbeitervertretung bei der Einlegung der Beschwerde nicht vertreten. Zwar ist in der Vollmacht vom 13. April 2010 davon die Rede, dass Frau D die Vollmacht erteilt werde, "uns", also die Mitarbeitervertretung, "anwaltlich zu vertreten." Die Beschwerde ist aber unter dem Briefkopf "Landeskirchliche Mitarbeitervertretung Württemberg" "Laki MAV" geschrieben worden. Die Verfahrensbevollmächtigte ist in der Beschwerdeschrift als "mit Vollmacht" der Mitarbeitervertretung versehen bezeichnet, nicht aber als Rechtsanwältin aufgeführt. Die Beschwerdeschrift ist nicht etwa bei der Unterschrift mit dem Zusatz "Die verfahrensbevollmächtigte Rechtsanwältin D" versehen, sondern mit "D, Rechtsreferentin Landeskirchliche Mitarbeitervertretung Württemberg ...".
Damit ist der Wille, in ihrer - unterstellten - Funktion als Rechtsanwältin die Verantwortung für die Prozesshandlung der Mitarbeitervertretung, hier Einlegung der Beschwerde, zu tragen, nicht erkennbar.
b) Es liegt auch keine Vertretung i.S.d. § 89 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 11 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 oder 5 ArbGG vor.
Die Unterzeichnende ist Rechtsreferentin bei der Landeskirchlichen Mitarbeitervertretung Württemberg. Frau D ist nicht Verbandsvertreterin. Denn die Landeskirchliche Mitarbeitervertretung Württemberg ist keine Arbeitnehmervereinigung i.S.d. § 11 Abs. 2 Nr. 4 ArbGG. Denn die Landeskirchliche Mitarbeitervertretung Württemberg ist keine Gewerkschaft. Es fehlt schon an der möglichen Tariffähigkeit.
Die Landeskirchliche Mitarbeitervertretung ist auch kein anderer Verband oder Zusammenschluss mit vergleichbarer Ausrichtung. Ein Verband ist ein Zusammenschluss von natürlichen oder juristischen Personen oder Vereinigungen zur Forderung gemeinsamer Interessen, insbesondere wirtschaftlicher, sozialer, kultureller oder politischer Art; hier sind Arbeitnehmerinteressen angesprochen. Zwar vertritt die Landeskirchliche Mitarbeitervertretung Württemberg Arbeitnehmerinteressen. Sie ist aber deswegen kein Verband, weil sie strukturell ganz anders ist. Man schließt sich zur Landeskirchlichen Mitarbeitervertretung Württemberg nicht zusammen, tritt ihr nicht bei, tritt nicht aus - verlässt sie, vgl. Verbandsflucht im Tarifrecht -, sondern die Landeskirchliche Mitarbeitervertretung Württemberg wird "gebildet", § 54 a MVG.W, die Mitglieder der Landeskirchlichen Mitarbeitervertretung Württemberg werden letztlich gewählt. Ein Ein- oder Austritt i.S.d. Verbandsrechts ist nicht möglich. Hinzu kommt, dass die Vertretung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ArbGG nur erfolgen kann, wenn die zu vertretende Beteiligte, hier die Mitarbeitervertretung, Mitglied ist. Die Mitarbeitervertretung ist nicht Mitglied der Landeskirchlichen Mitarbeitervertretung Württemberg; diese besteht vielmehr aus einzelnen Personen, nicht aus den Mitarbeitervertretungen als Gremien.
Auch ein Fall des § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 ArbGG ist nicht gegeben.
Die Landeskirchliche Mitarbeitervertretung Württemberg ist keine juristische Person, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 4 genannten Verbände stehen und die satzungsgemäß ausschließlich Rechtsberatung und Prozessvertretung für diese Verbände durchführt.
§ 55 MVG.W "Aufgaben der Landeskirchlichen Mitarbeitervertretung" i.V.m. der Aufgabenbeschreibung "Die Aufgaben der Geschäftsstelle der Landeskirchlichen Mitarbeitervertretung gemäß § 55 a MVG.W i.V.m. § 55 MVG.W" "Stand: Juni 2003" steht nicht entgegen. Zwar heißt es unter Nummer 1.8. dieser Aufgabenbeschreibung, deren Rechtsqualität nicht erkennbar ist, die aber an dieser Stelle dahinstehen kann, "Durchführung der Beratung und Vertretung als Rechtsbeistand der Mitarbeitervertretungen im Schlichtungsverfahren oder Beschwerdeverfahren nach § 56-59 MVG.", wobei § 56 MVG.W "Rechtsschutz" vorschreibt, dass zu gerichtlichen Entscheidungen die Schlichtungsstelle in erster Instanz und in zweiter Instanz das Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland berufen sind.
Aber abgesehen davon, dass § 63 MVG.W, der mit "Rechtsmittel" überschrieben ist, und die "Beschwerde" gegen Beschlüsse der Schlichtungsstelle regelt, und nach Anmerkung 31 zu § 63 MVG.W eine Kostenübernahme durch die Dienststelle nur dann erfolgen soll, wenn die Landeskirchliche Mitarbeitervertretung die sachkundige Beratung, die zu ihren Aufgaben gehört (§ 55 MVG), ausnahmsweise nicht wahrnehmen kann - die Vertretung im mitarbeitervertretungsrechtlichen Beschlussverfahren vor dem Kirchengerichtshof ist gerade nicht genannt -, richtet sich die Statthaftigkeit der Beschwerde zwar nach gliedkirchlichem Recht, hier nach § 63 MVG.W, wie bereits ausgeführt, indes richtet sich die Durchführung des Verfahrens selbst in der Zeit nach dem 1. Januar 2004 nach den Vorschriften über das Beschwerdeverfahren des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens, also u.a. nach § 89 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 11 Abs. 4, Abs. 2 Satz 2 Nr. 4, 5 ArbGG.
III. Der Beschluss konnte gemäß § 89 Abs. 3 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 63 Abs. 7 MVG.EKD durch den Vorsitzenden allein ergehen.
IV. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).