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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:21.03.2011
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/S76-10
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 3 Abs. 2 und 3
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.), 2 M 72/10; Fundstelle: ZMV 5/2011, S. 271
Schlagworte:Einvernehmen zur Verselbständigung von Dienststellenteilen
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Leitsatz:

1. Das Einvernehmen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD muss hinreichend manifest sein. Dies folgt nicht zuletzt aus der gleichsam normativen Wirkung eines solchen Einvernehmens. Erst durch das Einvernehmen werden die "neuen" Zuschnitte und Strukturen der Mitarbeitervertretung festgelegt. Nur durch dieses grundlegende Einvernehmen wird den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den betroffenen Dienststellenteilen die Fähigkeit zuerkannt, dort eigenständige Mitarbeitervertretungen zu bilden, dies dann allerdings mit zwingender normativer Wirkung für alle, d.h. für die Dienststellenleitung, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für die Mitarbeitervertretungen.
2. Der normativen Wirkung widerspricht es, das Einvernehmen nur aus Umständen abzuleiten, vor allem nur daraus, dass die Dienststellenleitung gegen die Wahl nichts unternommen hat

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.) - vom 26. Oktober 2010 - Az.: 2 M 72/10 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die antragstellende Mitarbeitervertretung nimmt für sich in Anspruch, auch für die Dienststelle selbst und nicht nur für das Geschäftsfeld D zuständig zu sein. Das örtliche Diakonische Werk ist in mehrere Geschäftsfelder, darunter das Geschäftsfeld D, und Dienstleistungszentren gegliedert, für die auf der Grundlage entsprechender Verselbständigungsbeschlüsse nach § 3 Abs. 2 MVG.EKD im Einvernehmen mit der Dienststellenleitung jeweils gesonderte Mitarbeitervertretungen gewählt worden sind. Nachdem sich im Jahr 2009 die Gesamtmitarbeitervertretung infolge tiefgreifender Meinungsunterschiede ersatzlos aufgelöst hatte, haben die Mitarbeiter in dem Geschäftsfeld D am 11. Dezember 2009 durch Abstimmung beschlossen, den sie betreffenden Verselbständigungsbeschluss aufzuheben, um damit eine Mitarbeitervertretung bilden zu können, die auch für die Dienststelle selbst zuständig sein kann. Die Dienststellenleitung hat sich hierzu nicht ausdrücklich erklärt. Alle anderen Geschäftsfelder beließen es bei ihrer Verselbständigung i.S. des § 3 Abs. 2 MVG.EKD.
Aus der im April 2010 durchgeführten regelmäßigen Wahl ist die antragstellende Mitarbeitervertretung hervorgegangen, die sich als "Mitarbeitervertretung des Diakonischen Werkes A" bezeichnet. Die Wahl ist nicht angefochten worden.
Die antragstellende Mitarbeitervertretung meint, sie sei nicht nur für das Geschäftsfeld D zuständig, sondern auch für die Verwaltung der Dienststelle. Deshalb sei sie auch bei der Besetzung einer Stelle zu beteiligen. Wegen der Einzelheiten ihres erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 26. August und 30. September 2010 Bezug genommen.
Sie hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Aufhebung des Verselbständigungsbeschlusses der Mitarbeitervertretung des Geschäftsfeldes D vom 11. Dezember 2009 wirksam war,
2. hilfsweise, das fehlende Einvernehmen der Dienststellenleitung mit der Aufhebung des Verselbständigungsbeschlusses gerichtlich zu ersetzen,
3. festzustellen, dass die Antragstellerin an dem Stellenbesetzungsverfahren zu beteiligen ist.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
1. die Anträge zurückzuweisen und
2. widerklagend festzustellen, dass die Mitarbeitervertretung auch nach den aktuellen Mitarbeitervertretungswahlen im April 2010 nur die Mitarbeitervertretung des Geschäftsfeldes D ist.
Sie hat gemeint, mangels ihres Einvernehmens sei es bei der bisherigen "Verselbständigung" geblieben. Wegen der Einzelheiten ihres vorinstanzlichen Vorbringens wird auf den Inhalt ihres Schriftsatzes vom 16. September 2010 Bezug genommen.
Die Vorinstanz hat durch ihren Beschluss vom 26. Oktober 2010 die Anträge der Mitarbeitervertretung zurückgewiesen und dem Widerantrag der Dienststellenleitung stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf den vorinstanzlichen Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Mitarbeitervertretung; sie greift den Beschluss nach näherer Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 15. Februar 2011, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, an und wiederholt ihr erstinstanzliches Sachbegehren.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 EGMVG.Westfalen (KABl. 2003, S. 404).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keine dieser Voraussetzungen liegt vor.
3. Die Beschwerde trägt nicht gesondert vor, weshalb sie zur Entscheidung anzunehmen sein soll. Der Sache nach stützt sie sich jedoch auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses (§ 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD); solche Zweifel sind indessen nicht anzunehmen.
Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht. (st. Rechtsprechung des KGH.EKD, zuletzt Beschluss vom 12. April 2010 - I-0124/S13-10 - ZMV 2010, 264). Solche Zweifel liegen nicht vor.
a) Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass der Antrag zu 1. unbegründet ist. Die Mitarbeiter haben zwar am 11. Dezember 2009 durch Abstimmung beschlossen, die Verselbständigung zu beenden. Dies allein genügt jedoch nicht. Nach § 3 Abs. 3, Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz MVG.EKD ist das Einvernehmen mit der Dienststellenleitung erforderlich, damit die Beendigung der mitarbeitervertretungsrechtlichen Verselbständigung des Arbeitsfeldes D mit Wirkung von der nächsten Amtszeit an beseitigt wird. An einem solchen Einvernehmen mit der Dienststellenleitung fehlt es. Die von der Mitarbeitervertretung erstinstanzlich und in der Beschwerde geschilderten Umstände, vor allem, dass die Dienststelle die Wahl zur Mitarbeitervertretung hat geschehen lassen und sie diese nicht angefochten hat, ändern nichts daran, dass die Dienststelle ihr Einvernehmen nicht erklärt hat.
aa) Für die Beseitigung der mitarbeitervertretungsrechtlichen Verselbständigung von Dienststellen (§ 3 Abs. 3 MVG.EKD) gelten infolge der dortigen Verweisung dieselben Verfahrensregelungen wie für die Herbeiführung der Verselbständigung nach § 3 Abs. 2 MVG.EKD. Wie der Senat in seinem - dieselbe Dienststelle wie hier betreffenden - Beschluss vom 31. Januar 2002 (Az.: I-0124/F37-01 - ZMV 2002, 242) erkannt hat, ähnelt die Herstellung der Verselbständigung von Teilen der Dienststelle - der Sache nach - einer Dienstvereinbarung. Das Einvernehmen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD muss hinreichend manifest sein. Dies folgt nicht zuletzt aus der gleichsam normativen Wirkung eines solchen Einvernehmens. Erst durch das Einvernehmen werden die "neuen" Zuschnitte und Strukturen der Mitarbeitervertretungen festgelegt. Nur durch dieses grundlegende Einvernehmen wird den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den betroffenen Dienststellenteilen die Fähigkeit zuerkannt, dort eigenständige Mitarbeitervertretungen zu bilden, dies dann allerdings mit zwingender normativer Wirkung für alle, d.h. für die Dienststellenleitung, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für die Mitarbeitervertretungen. Der normativen Wirkung widerspricht es, das Einvernehmen nur aus Umständen abzuleiten, vor allem nur daraus, dass die Dienststellenleitung gegen die Wahl nichts unternommen hat. Treu und Glauben oder ein widersprüchliches Verhalten oder eine Duldung haben zwar in schuldrechtlichen Rechtsverhältnissen ihre Rechtsfolgenbedeutung, für normative statuarische Rechtsverhältnisse scheiden diese Gedanken jedoch aus.
bb) Zwar ist nicht zu übersehen, dass die Regelung der Formalien in § 3 Abs. 2 Satz 1 und in Satz 3 MVG.EKD inkongruent sind. In Satz 3 wird für eine von Satz 1 abweichende Bildung von Teildienststellen die förmliche Dienstvereinbarung vorgeschrieben, in Satz 1 ist dieses Erfordernis nicht förmlich aufgestellt worden. Dies irritiert auf den ersten Blick, weil ein tieferer Sinn für eine solche Unterscheidung nicht erkennbar ist. Denn in beiden Fällen ist es gleichermaßen grundlegend, ob eine abweichende mitbestimmungsrechtliche Struktur der Dienststelle besteht oder nicht. Dieser Umstand, dass in Satz 1 eine förmliche Dienstvereinbarung nicht vorausgesetzt ist, hat jedoch nicht zur Folge, dass auf eine eindeutige Erklärung der Dienststellenleitung verzichtet werden könnte. Einer solchen bedarf es immer. Im Interesse ihrer Nachvollziehbarkeit wäre es auch angemessen, dass eine solche Erklärung förmlich und deshalb schriftlich erfolgt. Dies kann jedoch hier dahinstehen, weil die hier beteiligte Dienststellenleitung ihr Einvernehmen unstreitig überhaupt nicht erklärt hat. Soweit erkennbar, ist sie dazu auch nicht vorgerichtlich und rechtzeitig vor der im April 2010 durchgeführten regelmäßigen Wahl der Mitarbeitervertretungen aufgefordert worden.
b) Die Beschwerde hätte auch hinsichtlich des im Verhältnis zum Antrag zu 1. hilfsweise gestellten Antrags auf Ersetzung des fehlenden Einvernehmens keinen Erfolg. Auch diesen Antrag hat die Vorinstanz zu Recht zurückgewiesen. Die in der Beschwerde vorgebrachten Behauptungen sind nicht geeignet zu erkennen, dass die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders zu treffen sein würde.
c) Die Unbegründetheit des vorinstanzlich ebenfalls zurückgewiesen Antrags zu 3. und die Begründetheit des Widerantrags der Dienststellenleitung, dem die Vorinstanz stattgegeben hat, folgen aus den Gründen, die zur Zurückweisung des Antrags zu 1. geführt haben. Auch insoweit trägt die Beschwerde nichts vor, was zur Annahme der Beschwerde zur Entscheidung führen kann.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).