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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 23.11.2009 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD I-0124/R21-09 |
Rechtsgrundlage: | MVG.EKD § 63 Abs. 2, ArbGG § 83a |
Vorinstanzen: | Kirchengerichtliche Schlichtungsstelle der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 3.11.2008 |
Schlagworte: |
Leitsatz:
Erklärt nur der Antragsteller die Hauptsache für erledigt erklärt hat, muss der Senat streitig ent-scheiden, ob das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist. Eine solche Entscheidung stellt ein ma-teriell-rechtliches Erkenntnis dar (vgl. BAG, Beschluss vom 23. Januar 2008 – 1 ABR 64/06 – EzA Nr. 8 zu § 83a ArbGG); sie kann nur getroffen werden, wenn die Beschwerde zur Entscheidung in der Sache angenommen worden ist (vgl. § 63 Abs. 2 MVG.EKD).
Tenor:
Die Beschwerden gegen den Beschluss der Kirchengerichtliche Schlichtungsstelle der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 3. November 2008 - Az. 2 Sch 38/2008 - werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I. Die antragstellende Mitarbeitervertretung hat erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, dass die am 10. Juni 2008 gegenüber der Mitarbeiterin D ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung ohne die erforderliche ordnungsgemäße Beteiligung der Mitarbeitervertretung erfolgt ist.
Die Dienststellenleitung hat die Abweisung des Antrags beantragt.
Die Vorinstanz hat im angefochtenen Beschluss festgestellt, dass sowohl die Dienststellenleitung als auch die Mitarbeitervertretung bezogen auf das anlässlich der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Mitarbeiterin D gem. § 46 Buchstabe b MVG bestehende Mitbestimmungsrecht verstoßen haben, und das weitergehende Feststellungsbegehren zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss haben sowohl die Dienststellenleitung als auch die Mitarbeitervertretung Beschwerde eingelegt.
Die Dienststellenleitung will die völlige Zurückweisung des Antrags erreichen, die Mitarbeitervertretung hingegen dessen völlige Stattgabe. Der Senatsvorsitzende hat nicht zuletzt im Hinblick auf das Urteil des LAG im Kündigungsschutzrechtsstreit der Mitarbeiterin D gegen die Dienststelle angeregt, den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt zu erklären, weil spätestens mit der rechtkräftigen Erledigung des Kündigungsschutzrechtsstreits für das Feststellungsbegehren der Mitarbeitervertretung kein Feststellungsinteresse mehr vorliegen dürfte. Dem ist die Mitarbeitervertretung nachgekommen. Die Dienststellenleitung meint dagegen, dass die erstrebte Feststellung rechtsfriedenschaffende Wirkung für die Zukunft habe, hält an der Beschwerde fest und stimmt einer Erledigung des Verfahrens nicht zu.
Wegen der Einzelheiten der Vorbringens der Dienststellenleitung im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 6. April, 25. Mai, 30. Juli und 25. August und 20. November 2009 Bezug genommen, wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Mitarbeitervertretung im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze vom 29. April, 2. Juni, 2. Juli und 29. Juli 2009 nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Nachdem die antragstellende Mitarbeitervertretung die Hauptsache für erledigt erklärt hat, nicht aber die Dienststellenleitung, muss der Senat streitig entscheiden, ob das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist. Eine solche Entscheidung stellt ein materiell-rechtliches Erkenntnis dar (vgl. BAG, Beschluss vom 23. Januar 2008 – 1 ABR 64/06 – EzA Nr. 8 zu § 83a ArbGG); sie kann nur getroffen werden, wenn die Beschwerde zur Entscheidung in der Sache angenommen worden ist (vgl. § 63 Abs. 2 MVG.EKD).
III. Die Beschwerden waren nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und das Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. Artikel 1 des Kirchlichen Gesetzes zur Änderung des Kirchengesetzes über die Anwendung des Kirchengesetzes über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 21. Oktober 2004 (GVBl. Baden 2004, S. 187).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keine dieser Voraussetzungen liegt vor, vor allem nicht die zu Nummer 1 des § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD.
3. Es hätte für jede der beiden Beschwerdeführerinnen nahegelegen, sich mit dem Auseinanderfallen von erstinstanzlichem Antrag und Tenor des angefochtenen Beschlusses ebenso auseinander zu setzen wie mit der Frage, ob der Tenor hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist. Hierauf haben beide Beschwerden verzichtet. Es ist nicht Sache des zweitinstanzlichen Gerichts, eine solche Prüfung von Amts wegen vorzunehmen, denn dies gehört nicht zu den von Amts wegen zu beachtenden Prozessvoraussetzungen.
4. Die Beschwerde der Dienststellenleitung benennt keinen Annahmegrund ausdrücklich. Ihr ist jedoch zu entnehmen, dass sie auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses gestützt wird. Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht (std. Rechtsprechung des KGH.EKD, Beschluss vom 7. April 2008 - I-0124/P5-08 - ZMV 2009, S. 37; Beschluss vom 10. November 2008 - I-0124/P37-08 - ZMV 2009, S. 36; Beschluss vom 21. April 2009 - I-0124/R10-09 - n.v.). Es genügt nicht, wenn bei summarischer Prüfung die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zumindest ähnlich wahrscheinlich erscheint wie deren Richtigkeit.
Die Beschwerde der Dienststellenleitung zeigt nicht auf, dass die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders zu treffen sein wird, als die Vorinstanz entschieden hat. Das nunmehr überreichte Fax vom 9. Juni 2008 lässt sich nicht als Abbruch oder gar als ordnungsgemäße Beendigung der von der Mitarbeitervertretung verlangten Erörterung verstehen, sondern nur als Mitteilung dass der Terminvorschlag der Dienststellenleitung „leider nicht bestätigt werden“ könne: „Terminüberschneidung“. Diese legt nahe, einen anderen Erörterungstermin anzustreben, nicht aber, daraus schließen zu dürfen, dass die Mitarbeitervertretung die Erörterung für beendet erklärt habe. Ebenso wenig kann der Auftritt der Dienststellenleitung am dem von ihr vorgeschlagenen Termin zur Erörterung im Raum der Mitarbeitervertretung als „Erörterung“ verstanden werden, folglich konnte in diesem Moment auch die „Beendigung“ der Erörterung nicht erklärt werden. Es hat eben keine Erörterung stattgefunden.
5. Auch die Beschwerde der Mitarbeitervertretung war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil auch insoweit kein Annahmegrund i.S. des § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD vorliegt. Auch die Beschwerde der Mitarbeitervertretung benennt keinen Annahegrund ausdrücklich; sie macht aber macht ebenfalls inzidenter geltend, die angefochtene Entscheidung sei unrichtig. Sie zeigt allerdings nicht auf, inwieweit die Entscheidung hinter ihrem Antrag zurückbleibt und ob sie schon deshalb insoweit unrichtig sei. Die materiell-rechtlichen Erwägungen, wie sie die Mitarbeitervertretung in ihrer Beschwerde aufzeigt, genügen nicht, um annehmen zu müssen, dass die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich in der Weise anders zu treffen wäre, dass dem Sachantrag uneingeschränkt stattzugeben wäre. Es bestehen zudem erhebliche Bedenken, ob das für den ursprünglichen, auch in der Beschwerde weiter verfolgten Sachantrag vorauszusetzende Feststellungsinteresse gegeben ist. Die Mitarbeitervertretung hat nicht die Feststellung der Verletzung eines eigenen Recht beantragt, sondern die Feststellung, dass eine Voraussetzung für die Kündigung nicht gegeben sei, mithin also die Feststellung eines fremden Rechtsverhältnisses, nämlich dem zwischen der Mitarbeiterin D und der Dienststelle.
IV. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).